Macondo-Festival 2005

Mittwoch, 9. November

20.00 Uhr, Theater unter Tage  

[Club der jungen Dichter]

In diesem Jahr möchte das Macondo-Festival einen Abend ganz der jungen Lyrik widmen. Drei Autoren, die zum Teil bereits mehrfach mit Gedichten in Macondo vertreten waren und zur Speerspitze junger deutschsprachiger Lyrik zählen, werden unter Beweis stellen, dass das Gedicht auch im 21. Jahrhundert begeistern kann.


Björn Kuhligk

"Björn Kuhligks Gedichte verwandeln Alltagserlebnisse in Ereignisse ... Die Gedichte seines dritten Lyrikbandes sind konsequent zeitgenössisch und rücksichtslos poetisch ... Kuhligks Gedichte können auf verhaltene, ja lakonische Weise ganze Romane erzählen."
Der Tagesspiegel

„Als größte lyrische Hoffnung gilt zurzeit der 1975 geborene Björn Kuhligk, der zusammen mit Ron Winkler und Tom Schulz ein Trio zorniger junger Männer bildet.“
Berliner Morgenpost

Sie macht am liebsten Pasta

Und morgens steht sie nackt
am Fenster, etwas Banales
etwas Göttliches, und sieht
die Gegenwart, wie die sich
unten auf der Straße bemüht

sie träumt auf russisch
und raucht filterlose Franzosen
gießt vorm Frühstück den Teppich
verleugnet Schulfreunde und hat
sich nie den Arm abgebunden

sie hat den falschen Freund
und selten Geld auf der Kante
den Tag, also genau diesen
den Tag, denkt sie manchmal
den hatte schon mal jemand

sie hat keine Fotos an den Wänden
und nach der Tagesschau
ein gewöhnliches Gesicht, sie denkt sich
einen Satz wie diesen oder jenen
etwas Banales, etwas Göttliches

am Wochenende sei sie, sagen
ihre Freunde, eine Mischung
aus Kneipentier und Partyknaller
manchmal, wenn sie tanzt, habe sie
Männer an den Beinen

am liebsten beendet sie ihre Sätze
mit: „Kannst du mir folgen?“
sie lacht nicht oft, doch manchmal
lächelt sie versteckt, am schönsten
redet sie, wenns regnet


In der Dämmerung auf einem Hügel

Jetzt beginnen die Dörfer
zu leuchten, sagtest du, ich
nahm den Kiesel, den ich
seit Tagen bei mir trug
und zielte auf die nächste Laterne
und sagte, die Dörfer
beginnen zu leuchten


Björn Kuhligk wurde 1975 in Berlin geboren, wo er heute als Buchhändler arbeitet. Er ist Redakteur der Literaturzeitung lauter niemand und Mitherausgeber der Anthologie Lyrik von Jetzt (2003). Er veröffentlichte in zahlreichen Zeitschriften und Anthologien. Im Berlin Verlag erschienen seine Gedichtbände „Am Ende kommen Touristen“ (2002) und „Großes Kino“ (2005)